Bei der Flutkatastrophe am 14./15 Juli 2021 starben im Ahrtal 134 Menschen, Tausende Häuser und Betriebe wurden zerstört. Eine Hilfskampagne für den Wiederaufbau war und ist weiterhin das über Startnext organisierte Crowdfunding-Projekt "Flutwein".
Eine Spendenaktion mit wählbarem "Dankeschön". UnterstützerInnen erhalten eine oder mehrere von aus dem Schlamm geretteten Weinflaschen.
Der Weinbau ist ein zentraler wirtschaftlicher Pfeiler in der Region Ahrtal.
Neben der "Flutwein"-Kampagne gibt es auch andere Projekte, um die existenzgefährdeten Winzerinnen und Winzer tatkräftig oder finanziell zu unterstützen.
Wer zu Weihnachten oder Neujahr Wein und Sekt bestellen möchte, könnte sich doch einmal in den Online-Shops der diversen Ahr-Weingüter umschauen - das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.
Mir wurde ein 2019er Riesling der Winzergenossenschaft Mayschoss-Altenahr zugeschickt.
Und nun kann ich nicht umhin, eine Leseprobe aus meinem im letzten Jahr erschienenen Roman "Tuppek am seidenen Faden" einzustellen. Warum? Darum:
Vorabinformation: Der erfolglose Schriftsteller Adrian Tuppek meint, einen Kriminalroman zu schreiben, sei nicht schwer. Nun will es sich und der Welt beweisen. Im Krimi-Schreiben gänzlich unerfahren, probiert er verschiedene Ideen, Plots, Geschichten aus. Einer seiner diversen Versuche ist durch den im Rahmen von „Tatort Eifel“ ausgeschriebenen „Deutschen Kurzkrimi-Preis 2009“ angeregt. Gesucht wird ein bislang unveröffentlichter Kurzkrimi zum Thema „Abgehauen – untergetaucht“, der einen inhaltlichen Bezug zur Region Eifel haben muss. Kein Problem, denkt Tuppek:
"Er hat nämlich im vergangenen September eine viertägige Wanderung durch die nördliche Eifel unternommen.
Zusammen mit Lena und den gemeinsamen Freunden Britta und Bernd ist er auf dem Rotweinwanderweg von Bad Bodendorf nach Altenahr gegangen. Er verfügt also über ein Gespür für die Gegend, hat
Bilder und Namen im Kopf – und auch schon eine Idee (die hängt zusammen mit dem Kniegelenkserguss, den er sich damals zugezogen hatte. Seitdem funktioniert die Assoziationskette: Denk ich an
Altenahr, denk ich an Knie!) (...)
Ein sportbegeisterter Mann wird beim Joggen im Ahrtal von einem jagdbegeisterten Schützen mitten ins Knie getroffen. Das Opfer bleibt zeitlebens gehandicapt und will den unbekannt gebliebenen Täter ausfindig machen und zur Rechenschaft ziehen. Seit Jahren fährt besagter sportbegeisterter Mann in der letzten Septemberwoche an den Ort des Geschehens, um seine als Urlaub getarnte Recherche weiterzuführen. Als er den Täter schließlich aufspürt, schießt er ihm mit dessen Jagdgewehr in beide Knie, und nachdem er sich an dessen Leiden ein wenig geweidet hat, schießt er ihm in den Kopf, so groß ist der angestaute Hass. (...) Die Geschichte könnte statt der Hinrichtung des Täters auch mit der Tötung des Opfers enden. Sie wäre dann tragischer und sehr ergreifend.
Da trifft Tuppek ein Gedankenblitz: Er wird das Thema „Knochen“ leitmotivisch in die Geschichte einarbeiten und in vielen kleinen Einzelheiten variieren. Hierzu erstellt er eine Liste mit Stichworten, die ihm spontan zu dem Thema in den Sinn kommen und unbedingt berücksichtigt werden sollten. Auf der Liste stehen: Knieschuss – Knochenarbeit – Orthopäde und/oder Metzger – Knochenfund im Wald (Leichenteile oder Tierknochen?) – Bono singt zwischendurch immer mal wieder im Radio – Auswaiden/Tranchieren – 'T-bone-steaks for the tigers' – Kotelett/Eisbein/Nasenbein – Talismann/Amulett/Fetisch – Gelenk evtl. Genick.
Die locker sitzende Tür gab einen gelenkspaltbreiten Sehschlitz auf Arnold Scherers Zimmer frei.
Wäre der Schlitz so breit wie der Gelenkspalt in Scherers Knie gewesen, Karla hätte nichts erkennen können. Da der Schlitz jedoch eher der Größe des Gelenkspaltes in ihrem Knie entsprach, sah sie, dass Scherers Bett nicht benutzt war. Sie konnte also das übriggebliebene Gedeck im Frühstücksraum abräumen.
Komisch, dachte sie, nach amourösen Abenteuern sah er eigentlich nicht aus. Vielleicht ist ihm etwas zugestoßen? Hatte er gestern Abend nicht nach Bad Neuenahr in die Spielbank gewollt? Mein Gott!
Es läuft, freut sich Tuppek. Wie geht es weiter? Der jagdbegeisterte Täter ist, wie Arnold Scherer durch Zufall herausgefunden hat, Croupier in der Spielbank. Und sein Name ist May. Super! Jetzt fügt sich alles, aber auch wirklich alles: Der Ort am Rotweinwanderweg, in dem die älteste Winzergenossenschaft der Welt gegründet wurde, heißt Mayschoß. Das wäre in der Geschichte ein wunderbarer Schlusssatz: May schoss. Oder ein wunderbarer Lösungssatz, präsentiert von einer anonymen Mitwisserin, möglicherweise die ehemalige Geliebte des Croupiers, die Scherer eine Karte zusteckt, auf der sie den Ortsnamen markiert und/oder Mays Vornamen drüber geschrieben hat. Etwas zu heftig wäre gewiss, dem Täter den Vornamen 'Karl' zu geben. Aber irgendwas in der Art, das die Assoziation nahelegt, wäre nicht schlecht. Kai. Ja, der Täter wird 'Kai May' heißen. Wäre das also auch geklärt.
Tuppek reibt sich die Hände. Es läuft wie am Schnürchen. Und als wäre das bisher Erreichte noch nicht genug, fällt ihm jetzt der Clou ein: Er wird die Geschichte im Stil einer klassischen Falldarstellung aus der Serie 'Aktenzeichen XY … ungelöst' abfassen. Dies als kleine Referenz an Eduard Zimmermann, der gerade achtzig Jahre alt geworden ist. Aber auch als Versuch, mit dieser Wahl eines eher unüblichen Stils, einer nahezu eigenen Form, größere Aufmerksamkeit bei den Juroren vom 'Tatort Eifel' zu erzielen.
Der Fall, um den es im folgenden Beitrag geht, berührt umso mehr, als das Opfer seinem mutmaßlichen Mörder offenbar zweimal begegnet ist. Doch sehen Sie selbst:
Der 25. September 2008 ist ein Donnerstag. Der gehbehinderte Postinspektor Alfred Scherer (48) verlässt gegen 14:00 Uhr seine Wohnung in Dülmen, Lortzingweg 12, um zu einem Kurzurlaub in das 185 km entfernte Bad Neuenahr-Ahrweiler aufzubrechen. Die 53jährige Swetlana G., der Scherer seine Wohnungschlüssel gibt, damit die Nachbarin während seiner Abwesenheit die Blumen gießen kann, ahnt nicht, dass sie Scherer zum letzten Mal lebend sieht.
Die Autofahrt zu seinem Urlaubsort verläuft ohne besondere Vorkommnisse. Scherer kennt die Strecke wie im Schlaf, fährt er doch bereits seit siebzehn Jahren jeweils in der letzten Septemberwoche für vier Tage in das herrliche Ahrtal. Doch diesmal ist etwas anders. Gegenüber seinem Kollegen, dem 51jährigen Albert F., hat er vor der Abreise Andeutungen gemacht, dass der Tag der Rache nahe sei. Was Scherer, der keiner Gruppe religiöser Eiferer angehörte, mit dieser geheimnisvollen Aussage meinte, darüber hat er sich Albert F. gegenüber ausgeschwiegen.
Gegen 17:00 Uhr erreicht Scherer die Pension „Sonnenschein“ in Ahrweiler. Er bezieht das Zimmer mit der Nummer 9 und bestellt einen Kaffee, der ihm von der 18jährigen Aushilfskraft Karla Z. gebracht wird.
Etwa zur selben Zeit trifft im 6 km entfernten Lohrsdorf der ehemalige Jagdpfleger Kai May letzte Vorbereitungen im Bad, bevor er zur Arbeit fährt. Seit kurzem ist er als Croupier in der Spielbank von Bad Neuenahr beschäftigt. Kai May ist ein unauffälliger Mann Ende 40, den die Nachbarn als zurückgezogen lebenden, freundlichen Menschen beschreiben. Doch er hat auch eine dunkle Seite."
(aus: Doris Brockmann: Tuppek am seidenen Faden. Roman. Dorsten 2020)