Ich könnte das Resümee des 1. Lesetages in Klagenfurt ungefähr so starten:
Den Auftakt machte Raphaela Edelbauer. Sie ist die einzige Teilnehmerin aus Österreich und von Klaus Kastberger eingeladen. Ihr Text "Das Loch" erinnerte mich an eine Mixture aus Dorothee Elmigers "Einladung an die Waghalsigen" und Marie Gamillschegs "Alles was glänzt" mit einem Schuss Franz Kafkas "Das Schloss". Kein Landvermesser, sondern ein Auffüllungstechniker kommt in ein Dorf, das von einem Bergwerk bedrohlich unterhöhlt ist. Im sachlichen Protokollstil werden Arbeitsschritte beschrieben und die Szene einer Hinrichtung von Hunderten KZ-Insassen, die im Bergwerk Zwangsarbeit verrichten mussten ...
Aber eigentlich will ich den zahlreichen Text-und-Jurydiskussions-Nacherzählungen, die heute - und in den kommenden Tagen - in Blogs, Feuilletons, Podcasts und Radiosendungen erscheinen, nicht noch eine weitere hinzufügen. Eigentlich will ich Eindrücke schildern, subjektiv, unausgewogen und ins Offene, wie im Gespräch mit guten oder weniger guten Freunden oder zufälligen Bekanntschaften, die sich gerade eben, etwa auf dem zur Stunde stattfindenden Empfang der Klagenfurter Bürgermeisterin, hätten ergeben können.
Ich würde sagen: Toll, wie die zwei neuen Jurorinnen gleich das Heft in die Hand genommen haben. Kein "erstmal abwarten, wie die alten Hasen aufschlagen", sondern gleich drauflos. Insa Wilke, präzise in der Analyse und hartnäckig im Klärungsbedürfnis, den AutorInnen als direkte Gesprächspartnerin stets zugewandt und in der Verteidigung des von ihr eingeladenen Autors (Joshua Groß) kampfbereit wie eine Löwenmutter. Nora Gomringer - Hurra! nach langer Zeit endlich mal wieder eine Schriftstellerin in der Jury - nähert sich mit handwerklichem Interesse und Genauigkeit den Texten, sorgt für (nicht blödelnden) Witz - der Kalauer des Tages „Alle Männer sind Auffüllungstechniker“ geht auf ihr Konto. Ein wenig problematisch erweist sich ihre Lust an signifikanter Ver-/Bekleidung: Ihr zweites Outfit des Tages, ein T-Shirt mit Angela-Merkel-Konterfeis sorgte auf Twitter zeitweise für mehr Gesprächsstoff als die gelesenen Texte. Aufmerksamkeitsverkehrung.
Im Blick auf die Texte fällt auf: Es wurde viel gestorben und gekifft, formal eine eher nüchterne, protokollarische Darstellungsweise und Montagetechnik bevorzugt.
Für die Kritik scheint ein wichtiges Kriterium zu sein, wie die Texte sich in eine literarische Tradition einordnen lassen, bzw. davon zeugen, dass ihre AutorInnen diese gut kennen. Dann war noch zu hören: "Wer 'ne coole Socke ist, dem sollte man auch was nachsehen" im Text (Klaus Kastberger über Joshua Groß). Häh? So geht Literaturkritik?
Preisverdächtige habe ich heute nicht gehört.
Die Texte von Raphaela Edelbauer (Kastberger), Martina Clavadetscher (Keller), Stephan Lohse (Winkels), Anna Stern (Keller) und Joshua Groß (Wilke) können hier nachgelesen oder heruntergeladen werden.
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