Du, Tilman - 1

Da stellt ein Verlag seinen Autor aus. Der soll unter den Augen der Internet-Öffentlichkeit einen Roman schreiben. In der Zeit vom 11. Januar bis zum 8. April 2016 werktäglich ungefähr zwei Seiten. Für alle Beteiligten gilt: "Morgen mehr".

Das Motiv für die ungewöhnliche Form der Romanproduktion liegt in Tilman Rammstedts besonderer Affinität zum "writer´s block". Offenbar ist er ein Experte in Sachen Schreibhemmung, Selbstzweifel, Hektik und Immer-alles-auf-den-letzten-Drücker-Abliefern. Also, so die Versuchsanordnung, schafft man eine Situation von Hektik und konstantem - öffentlichen - Erwartungsdruck, und der Autor wird liefern. So weit so charmant.

Der Hanser-Verlag hat das Vorhaben als Crowdfunding-Projekt an den Start gebracht. Zwischen dem 18. November und dem 31. Dezember 2015 sollten über den Erwerb unterschiedlicher Abonnements von "Morgen mehr" 4.000 Euro eingespielt werden. Das Ziel wurde am 22. Dezember erreicht. Derzeitiger Stand: 5.908 Euro.

 

Tilman Rammstedt spricht im Zusammenhang "Crowdfunding" bzw. "Finanzierungsziel" von einem "Missverständnis", "das wohl oder übel in Kauf genommen wurde. Weder dem Verlag noch mir ging es darum, beim Vorverkauf der Abonnements auf Startnext eine bestimmte Summe einzuspielen. Wir hätten das Projekt ja auch gemacht, wenn das angegebene Ziel nicht erreicht worden wäre." Das Ganze sei nur eine Frage von "Werbemaßnahmen" gewesen, das Ausprobieren einer "neuen Art des Vertriebs". Hm.

Mag sein, dass ich hinterm Mond wohne, aber ich kann in dieser Marketingstrategie nichts anderes als einen Druckkostenzuschuss seitens der Fangemeinde erkennen. Noch weniger komme ich mit bei dem Versuch zu verstehen, wie man ein Crowdfunding-Projekt anmelden kann, wenn es gar nicht darum geht, die für das Projekt erforderliche Summe einzuspielen, sondern es so oder so in die Tat umsetzt. Crowdfunding ad absurdum.

Wenn es nicht um Geld geht, hätte man doch einfach eine eigene Webseite zum Projekt einrichten können, auf der Interessierte mitlesen und kommentieren können, so wie sie (oder nur ein Teil von ihnen) es jetzt für 8 Euro Mindesttarif machen.

 

Eine argumentative Auseinandersetzung wird durch die Tatsache erschwert, dass vom "Team Hanser" stets lustige Antworten gegeben werden. Auf die Frage nach der Verwendung des Geldes bei erfolgreicher Finanzierung heißt es: "Vor allem geht es darum, den grotesk aufwendigen Lebensstil des Autors zu finanzieren. Er prahlt damit, mehrmals täglich Nahrung zu sich zu nehmen, und wohnt in einer "Mietwohnung", und wir wissen alle, was das heißt: Es ist eine Wohnung, die gemietet ist. Wir vom Verlag sind da traditionell idealistisch. Uns geht es nicht ums Geld. Uns geht es um die Kunst. Also um all die Kunst, die wir uns mit dem Geld kaufen können."

Zweifellos ist "morgen mehr" (neben viel Arbeit auch) ein großer Spaß für den Verleger Jo Lendle und sein Team. Liest man ihre Stellungnahmen als Unterhaltungsliteratur überträgt sich etwas von diesem Spaß: heitere Gestimmtheit. Will man aber wissen, wie der Hase läuft (wahrscheinlich würde mir Jo Lendle, falls er dies läse, anschließend irgendein witziges Hasen-Video mailen/twittern), kriegt man aus all dem, was da lausbubenhaft und neuefrankfurterschuleartig erklärt wird, keine Information zu fassen. Witzischkeit als Ausweichmanöver? Ganz schön ausgebufft die Hanser-Marketing-Experten.

 

(Um "Du, Tilman" wird es im Fortsetzungsteil gehen.)

 

Weder dem Verlag noch mir ging es darum, beim Vorverkauf der Abonnements auf Startnext eine bestimmte Summe einzuspielen. Wir hätten das Projekt ja auch gemacht, wenn das angegebene Ziel nicht erreicht worden wäre.

Tilman Rammstedt schreibt „Morgen mehr“: Ist das die Zukunft? Ein Fortsetzungsroman zum täglichen Mitlesen | Kultur - Berliner Zeitung - Lesen Sie mehr auf:
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Weder dem Verlag noch mir ging es darum, beim Vorverkauf der Abonnements auf Startnext eine bestimmte Summe einzuspielen. Wir hätten das Projekt ja auch gemacht, wenn das angegebene Ziel nicht erreicht worden wäre.

Tilman Rammstedt schreibt „Morgen mehr“: Ist das die Zukunft? Ein Fortsetzungsroman zum täglichen Mitlesen | Kultur - Berliner Zeitung - Lesen Sie mehr auf:
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eine bestimmte Summe einzuspielen. Wir hätten das Projekt ja auch gemacht, wenn das angegebene Ziel nicht erreicht worden wäre.

Tilman Rammstedt schreibt „Morgen mehr“: Ist das die Zukunft? Ein Fortsetzungsroman zum täglichen Mitlesen | Kultur - Berliner Zeitung - Lesen Sie mehr auf:
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eine bestimmte Summe einzuspielen. Wir hätten das Projekt ja auch gemacht, wenn das angegebene Ziel nicht erreicht worden wäre.

Tilman Rammstedt schreibt „Morgen mehr“: Ist das die Zukunft? Ein Fortsetzungsroman zum täglichen Mitlesen | Kultur - Berliner Zeitung - Lesen Sie mehr auf:
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Kommentare: 2
  • #1

    Gregor Keuschnig (Donnerstag, 21 Januar 2016 15:14)

    Das Wort vom "Autorendarsteller" macht ja schon lange die Runde (hier bei Jochen Jung, der naturgemäss ein bisschen melancholisch kommentierte: http://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/die-autorendarsteller-1.18123454). Man darf allerdings nicht vergessen, dass es seit je wichtig war, sich von anderen Schriftstellerkollegen irgendwie zu unterscheiden, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Von daher also erst einmal nichts Neues. Womöglich kommen sich Autor und Verlag besonders pfiffig vor mit dem neuen Modell und acht Euro sind nicht viel, wenn man Zeit und Lust hat, einem Autor über die Schulter zu sehen oder wenigstens das Gefühl zu haben, einem Autor über die Schulter zusehen.

    Problematisch ist es natürlich schon, dass ein renommierter Verlag und ein renommierter Autor Crowdfunding betreibt. Wobei die Frage ist, wohin die 5.908 Euro fliessen. Zum Verlag? Zum Autor? 50:50? Und bekommt der zahlende User am Ende auf das entstandene Buch einen Rabatt?

    Mein Zweifel speist sich aber vor allem auf die effekthascherische Abonnentenfängerei. Zitat: "Lesen Sie mit, hören Sie zu, lenken Sie ihn ab, feuern Sie ihn an, fallen Sie ihm ins Wort." Ich soll also den Autor "anfeuern", wie einen Tauzieher, Fußballspieler oder Rockstar. Und ich darf ihm ins Wort fallen (auch lallen?). Demnächst gibt es also nicht nur Millionen Bundestrainer sondern auch ein paar Tausend neue Literatur-Lektoren. Und das alles für 8 Euro. So läuft's business.

    Nein, ich hänge nicht der (leider immer noch zu oft) sakralen Begegnung mit Literatur an. Dichterlesungen langweilen mich meist; vor allem stört mich, dass mir der Rhythmus vorgegeben wird, denn oft genug lese ich schneller oder langsamer. Ich sehe nicht auch nicht ein, warum ich 8 oder 10 Euro für ein Lesen bezahlen soll, das ich später, wenn ich das Buch kaufen sollte, selber genau so gut machen kann. Ich mag nicht diesen weihevollen Umgangston der Kunstbeflissenen (der sich allerdings meist nach ein paar Gläsern Wein verflüchtigt). Aber ich mag es irgendwie auch nicht, wenn man Literatur als Conveniencefood verkauft. Demnächst dann womöglich noch im neuen Literaturkanal von HSE24.

  • #2

    Thomas (Montag, 21 März 2016 07:07)

    Crowfunding kann eine tolle Chance für eigene Projekte sein. Mit der richtigen Idee lässt sich einiges auf die Beine stellen. Mittlerweile greifen doch immer mehr Menschen auf diese Finanzierungsalternative zurück.