Gestern am frühen Morgen: Dort brennt das Licht. Hier nicht. Der Wasserkessel heizt auf. Der Toaster toastet nicht. Mh.
Stromausfall? Die Sicherungen im Sicherungskasten stehen treu auf Sicherung. Erst mal Frühstück machen. Rolladen hochziehen. Ach, keine Straßenbeleuchtung. Deshalb jagen die Autos also nicht wie gewohnt durch die Straße. Die Rentnerin nebenan steigt mit flackerndem Grubenlicht in den Keller. Doch was Ernstes? Solange hier im Haus die Basics noch funktionieren, finde ich die Ausnahmesituation eigentlich recht charmant. Abwarten, Tee trinken, Zeitung lesen.
Da klopft und pocht es an der Tür: Nicht Nikolaus und Ruprecht, sondern zwei taschenlampenbewaffnete WestNetz-Mitarbeiter, die in den Keller wollen und auf meine freudige Mitteilung: "Hier funktioniert noch Einiges", antworten: "Das wird sich jetzt ändern, wir müssen den Stromanschluss sperren, um die Ursache der Störung zu finden." Och. "Und der Gefrierschrank?" "Gucken Sie lieber nicht rein. Ist besser." Mh. Ich denke: Gut, dass ich heute keine Plätzchen backen und Wäsche waschen wollte. Da wenden sich die Stromstörungsbekämpfer zum Gehen. Ich gebe ihnen ein ortsübliches "Glückauf!" mit auf den Weg. Sie nicken freundlich und mutmaßen, ab 12.00 Uhr hätte ich wohl wieder Strom. Frühestens. "Wenn wir Glück haben." Mh.
Ich mach erstmal die Hunderunde. Die Rentnerin von schräg gegenüber kommt mir mit zwei dampfenden Kaffeebechern vom Bäcker entgegen. Ah, der halt also Strom. Ich lege einen Zwischenstopp nebenan bei der infektionsgeplagten Freundin ein, um ihr zu sagen, bei mir gebe es heißen Resttee und in Kürze muggelige Ofenwärme - auch für sie.
Dummerweise störe ich sie mit meinem Klopfen beim Duschen und rede ich dann mit der halbnackten Patientin bei ca. 6°C Außentemperatur vor halbgeöffneter Tür. Auf dem Rückweg plagt mich der Gedanke, ob ich gerade eine klassische Malum-durch-Bonum-Situation geschaffen habe. Morgen hat die Freundin Fieber und ich hatte es doch nur gut gemeint.
Zuhause sage ich zum Hund: "Jetzt machen wir es uns gemütlich." Ich zünde die dicke Duftkerze an, die Kerzen am Adventsgesteck und überall verteilte Teelichter. Trotzdem ist es noch recht schummerig. Nebenan im Haus sind sämtliche Rolläden runter. Der Fluch der Technik. Wer jetzt nur motorbetriebene Rolläden hat, wird im Dunklen bleiben, wird umherirren und gewiss keine langen Briefe schreiben. Ich mache den Ofen an und versuche zu lesen. Der Hund versucht, gekrault zu werden. Ich trinke den Resttee und esse Plätzchen. Der Hund sagt, er verhungere. Ich sage, Spekulatius sind für Möpse tödlich. Der Hund schaut streng wie ein jesuitischer Beichtvater. Draußen baggert der Bagger, zwei Männer stehen im Erdloch und graben, fünf Männer stehen um´s Erdloch herum und schauen zu. Wird schon.
Ich stelle einen Topf Wasser auf die Steinplatte des Ofens. Mal sehen, ob es sich zum Kochen bringen lässt. Vielleicht könnte man da abends eine Dosensuppe erwärmen. Nach zwanzig Minuten hat das Wasser die für grünen Tee vorgeschriebene Temperatur erreicht. Nicht schlecht. Mache ich mir erstmal eine Kanne grünen Tee. Dabei drängt sich der Gedanke auf: Wenn es bei mir mit Ofen noch nicht bullig warm ist, wie muss es dann all denen nebenan ohne Ofen-Alternative gehen? Sollte ich sie alle einladen? In der Not zusammenstehen, wie damals im ... Vielleicht noch etwas warten. Man darf das Ganze auch nicht überdramatisieren. Erstmal ein Käseschnittchen. Der Bagger baggert unaufhörlich am Baggerloch. Der Hund starrt mich unerbittlich mit jesuitischem Blick an. Na, gut. Du kriegst ein Stück Käse, und ich mach mir noch ein Mettwurstschnittchen. Ich sollte etwas schreiben. Ja. Aber die Verhältnisse. Die Verhältnisse sind nicht so. Ich brauche das Gewohnte, Rituale. Jetzt ist alles anders, nicht so, wie es sein sollte. Kann man sich auch einreden. Ja. Trotzdem.
Um halb zwei klopfen und pochen die Stromstörungsbekämpfer erneut an der Tür. Störung soweit beseitigt. In etwa zwanzig Minuten soll der Strom wieder da sein. Super. Vielen Dank für Ihren Einsatz. Der Hund bekommt zur Belohnung ein trockenes Brötchen. Ich mache mich bereit, endlich wieder online zu gehen. Kurz vor zwei kommt der Lieblingsmensch nachhause. Alle Lichter gehen an, die Heizung gluckert, das Radio dideldumdeit, der Kühlschrank piept. Alles so, als wenn nichts gewesen wäre.
Kommentar schreiben
Meiki (Mittwoch, 10 Dezember 2014)
Herzlich gelacht und amüsiert nicht nur an den Stellen, die des Hundes Kommunikation mit dem Menschen betreffen.
Petra Tottmann (Mittwoch, 10 Dezember 2014 16:25)
Wow, schon zum zweiten Mal in deinem Blog erwähnt.... Danke für deine Sicht der Dinge (hihi) , war schon ein komischer Tag...
walk-the-line (Mittwoch, 10 Dezember 2014 21:34)
@Petra Tottmann: Wow, zum ersten Mal in meinem Blog kommentiert. Danke!
Dank und Grüße auch ans @Meiki!