… begrabt eure Hoffnung unterm Apfelbäumchen

Unerschrockene, Unvernetzte, Unentdeckte, die ihr Texte an die Bachmannpreisjury geschickt, und noch keinen Anruf vom ORF erhalten habt, begrabt eure Hoffnung unter den gerade überall austreibenden Apfelbäumchen. Oder pflanzt schnell noch eines. (Ich war schon im Garten.)

Wie Mitte der Woche aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, sind die KandidatInnen für den Wettbewerb der „38. Tage der deutschsprachigen Literatur“ bereits verständigt und sollen Mitte Mai bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben werden. Die sieben JurorInnen brauchten also nur einen Monat (Einsendeschluss war der 21.02.2014), um sich jedeR durch einen Stapel von "ungefähr dreihundert" eingesandten Texten durchzuarbeiten - so viele hat jedenfalls  Daniela Strigl erhalten. Bei den anderen Jurymitgliedern wird es plusminusnull ähnlich ausgesehen haben.

 

Selbst für vielbeschäftigte Profileser dürfte es kein Problem sein, in vier Wochen ungefähr dreihundert Texte durchzuarbeiten, deren Umfang "einer maximalen Lesedauer von 25 Minuten" (ca. 12-14 Druckseiten) entspricht. Erst recht nicht, wenn man einige schon "nach dem ersten Satz weg(legt)" (Strigl) - wobei Orthographieunkenntnis übrigens keine Rolle zu spielen scheint: "Die Rechtschreibung ist nicht das Problem." (Strigl) Mit unkorrigierten Legasthenikertexten tue ich mich schon ein bisschen schwer. Die Bedeutung des ersten Satzes als Türsteher eines Textes ist mir hingegen wohl vertraut. Love it or leave it. So überlebt man (bzw. das verfügbare Barvermögen) einen Besuch in der Buchhandlung. Bei einem Wettbewerb vom Kaliber des Bachmannpreises hätte ich angenommen, die Texte erhielten eine klein wenig größere Chance.

 

Oder ist das alles Pillepalle? Muss man sich das ganze eher freesstylemäßig vorstellen? Im letzten Jahr hat Juror Hubert Winkels bei der Preisrede auf den von ihm eingeladenen und mit dem 3sat-Preis ausgezeichneten Autor Benjamin Maack bemerkt, er habe nicht einen Text ausgewählt, der ihm zugeschickt wurde, sondern Benjamin Maack "drei Monate vor dem Ereignis" gebeten, hierfür eine Kurzgeschichte zu schreiben. Was Winkels in seiner Laudatio dann noch zur viel zu geringen Wertschätzunng der Gattung "Kurzgeschichte" kritisch anmerkt, stimmt mich heiter, denn es spricht mir aus der Seele. Was er davor gesagt hat, stimmt mich nachdenklich - zumal angesichts der Turbogeschwindigkeit, in der die diesjährige Jury ihre KandidatInnenliste fertigstellt hat.

 

Es ist kein Geheimnis, dass viele der bisher zum Wettbewerb geladenen Autoren und Autorinnen literaturinstituts-, stipendien- und literaturpreiserfahren waren und bei renommierten Verlagen und auch Literaturagenturen unter Vertrag standen. Das kann nur für die AutorInnen sprechen, denn wären sie nicht gut, hätten sie all das nicht erreicht. Aber es spricht wohl auch für die Unverzichtbarkeit eines (literaturpolitischen) Netzwerkes, ohne das nichts zu gehen scheint, zumal für No-Names. Ich weiß, das "Wettlesen in Klagenfurt ist nicht eine Art "Germany´s-Next-Top-Author"-Veranstaltung für überambitionierte Möchtegernschreiberleins. Ich weiß jedoch auch, dass sich mit ihm eine außergewöhnliche Erwartungslust verbindet, hier etwas oder jemanden Unbekanntes zu entdecken.

 

In der Vergangenheit des Wettbewerbs gab es unterschiedliche Bewerbungsmodi. Eine in Bezug auf die AutorInnen anonymisierte Version gab es meines Wissens nicht. Dass allein die Texte zählten! Ob sie nun von Daniel Kehlmann oder Lieschen Müller stammen. Vielleicht fände  der Kehlmann-Text einstimmige Zustimmung. Vielleicht aber auch nicht. Das wäre ein interessantes Experiment. Es setzte allerdings eine Geheimhaltungspraxis voraus, bei der selbst die NSA ins Leere liefe. Ist das realistisch? Eher nicht. Bleibt also nur die Erkenntnis: "Ja, das ist ein ungerechtes Geschäft", wie Frau Strigl betont. Recht hat sie. Andernfalls würden wir ja auch nicht jedes Jahr bei den Klagenfurter Lesungen Zeugen der Gaußschen Normalverteilung.

 

PS: Wie bei meiner letztjährigen Bachmannpreis-Berichterstattung angekündigt, werde ich in diesem Jahr erstmals nach Klagenfurt reisen, um diesen einzigartigen Literaturbetriebsausflug einmal live zu erleben. Die Fahrkarte ist gekauft, das Hotelzimmer vom 2.-6. Juli gebucht. Ich vorfreue mich ziemlich.

Vielleicht trifft man sich ja. Mh?

 

 

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