Gerne wüsste ich, ob im Hause Wulff mal erwogen wurde, dass die Entscheidung von Frau Merkel, Christian Wulff für das Amt des Bundespräsidenten vorzuschlagen, eine Art Wegloben hätte sein können, ein feiner Schachzug von Frau Merkel, mit dem sie einen ernst zu nehmenden Kanzlerkandidaten rechtzeitig aufs Abstellgleis stellen wollte.
Doch weder über dieses Motiv noch über andere mögliche Gründe für Merkels unerwartete Entscheidung erfahren wir etwas im Kapitel 4: „Die Wahl“. Stattdessen wird lang und breit über das Unerwartete gestaunt und stilblütenreich kund getan, wie schwierig Merkels Entscheidung und deren Konsequenzen zu verstehen waren: „Ich konnte mir nicht recht vorstellen, was das heißt (…) Ich konnte mir keine konkreten Antworten geben, wusste aber das eine ganz sicher: Es wäre eine totale Veränderung.“
Und dann folgt der meiner Meinung nach alles entscheidende Fehler: „Es gab Momente in den folgenden Stunden, da haben er (Christian Wulff, DB) und ich viel diskutiert“. Warum um alles in der Welt nur „Momente“? Warum wurde nicht die ganzen „folgenden Stunden“ lang diskutiert? Ich wette, die Eheleute Wulff wären am Ende auf den richtigen Trichter gekommen, hätten eine freundliche aber bestimmte Absage an Frau Merkel gesimst und schön und unbescholten im niedersächsischen Klüngel weitergeklüngelt. Aber nein. Man wollte ja unbedingt Präsident werden (obwohl man es sich gar nicht vorstellen konnte). Und siehe da: Es kam die „totale Veränderung“.
Und dann, nach der Wahl, wer hatte da den meisten Stress? Genau: die Frau des Bundespräsidenten. Denn während dieser ein paar Reisen machte und „administrative Aufgaben (erledigte, DB) wie Orden verleihen, Botschafter zu akkreditieren und zu verabschieden, Ehrenamtliche für ihr Engagement auszuzeichnen“, düste Frau Wulff ständig zwischen Berlin und Großburgwedel hin und her, „wischte (…) Staub, räumte die Spülmaschine ein, saugte durchs Wohnzimmer, stellte gegen 19 Uhr den Söhnen ein Abendbrot auf den Tisch“, düste zwischenzeitlich noch zu einigen offiziellen Terminen, bekam von dem ganzen Stress eine trockene und brennende Gesichtshaut, die „ständig gerötet“ war, düste aber dennoch weiter, arbeitete anfangs sogar noch weiterhin bei Rossmann, suchte sich Hilfe bei einem südamerikanischen Au-pair-Mädchen und musste erkennen, dass dieses vollkommen anders tickte als eine „durchgeplante, organisierte, gestresste Norddeutsche.“
Ergo: Ab nach Berlin zur Stressminimierung.
Kapitel 5: „Die Hauptstadt“
Dort wohnt man als Bundespräsidentenfamilie nicht im Schloss Bellevue, sondern in einer herrschaftlichen Villa in der Pücklerstraße 14. Und wie sieht es da aus? Dunkel, bedrückend, altmodisch und zudem auch noch frei von Bediensteten: Es gibt keinen Koch, keine Reinigungskraft, nur eine „Hausintendanz“, die „vor einem Staatsbankett schnell das Abendkleid dämpfte oder den Anzug noch einmal frisch aufbügelte. Aber ging es um unsere privaten Belange, wie etwa das Putzen unserer Privatwohnung, so übernahm ich (Bettina Wulff, DB) dies selbst.“
Hierbei und bei allem anderen rund um die Uhr beobachtet zu werden, war natürlich eine zusätzliche Belastung: „Auch morgens nach dem Aufstehen im Nachthemd auf den Balkon zu gehen, tief Luft zu holen, sich zu recken, den Tag zu begrüßen – in Berlin habe ich mir das verkniffen.“
Neben den ganzen Unbilden gab es aber auch ein paar Lichtblicke, nämlich die geradezu norddeutsch super-organisierte Sekretärin der Bundespräsidentengattin mit immerhin 20jähriger Berufserfahrung, eine persönliche Referentin, deren Stelle aber erstmal neu besetzt werden musste, weil die bisherige von Frau Köhler „nicht so harmonierte“, sodann gab es noch die Abende mit Frau Merkel „bei ein wenig Käse, Brot und Rotwein“ und schließlich auch noch die Zusage des Bundespräsidenten an seine überlastete und an finanzielle Unabhängigkeit gewöhnte Gattin, „dass er mir (Bettina Wulff, DB) von seinem Gehalt den Nettobetrag überweisen würde, den ich zuletzt als Pressereferentin bei Rossmann verdient hatte.“
Klingt doch eigentlich alles supi!!!
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Hilfe (Sonntag, 16 September 2012 12:53)
... noch elf Kapitel?
Doris Brockmann (Sonntag, 16 September 2012 13:12)
Ja - was das Lesen angeht.
Nein- was meine Blogzählung angeht.