In eine Art bühnenhafte Puppenstube entführt uns die österreichische Theatermacherin Isabella Feimer. Wir sehen Szenen eines (des?) Kammerspiels zwischen einem Mann und einer Frau. Die Szenen sind in schwarz-weiß gefilmt und stumm geschaltet. Nach jeder Szene wird für einen Moment Frau Feimer in Farbe eingeblendet, die jeweils ein Wort sagt, das wie eine Überschrift über der gezeigten Szene stehen könnte.
Die Worte – in der Reihenfolge ihres Auftretens – lauten: Liebe – Leidenschaft – Angst – Hass – Stille, und ergeben in der dramatischen Umsetzung eine Geschichte. Die Worte sind bedeutungsvoll, es geht um Kernthemen künstlerischen Schaffens und menschlicher Existenz (fehlt nur noch „Tod“, aber im Grunde gehört der zu jedem der genannten Themen irgendwie sowieso auch immer schon mit dazu).
Nun, was sagt uns das über die auf diese Weise porträtierte Frau Feimer? Sie interessiert sich für die Themen: Liebe, Leidenschaft, Angst, Hass und Stille und beschäftigt sich allem Anschein nach vorranig im Rahmen der Theaterarbeit mit ihnen. Frau Feimer sitzt auf der anderen Seite der Bühne und gibt vom Zuschauerplatz aus ihre Regieanweisungen.
Wie bei Hugo Ramnek verlief auch bei ihr der Weg zum Schreiben über die Arbeit im Theater. Das kann man nicht aus dem Videoclip, sondern aus einem aktuellen Zeitungsinterview erfahren. Als Frau Feimer vor einigen Jahren einen Monolog für eine Inszenierung von „Alice im Wunderland“ schreiben musste, habe sie entdeckt, welch großen Spaß ihr das Schreiben mache. Um das Handwerk zu erlernen, absolvierte sie einen Kurs an der Leondinger Akademie für Literatur und wusste danach, dass sie das Schreiben mehr als alles andere wolle.
Exkurs: „Leondinger Akademie für Literatur“? Nö, kannte ich bislang auch nicht. Ob das so etwas ist, wie in Biel, Leipzig und Hildesheim? Nachkukken. Also: Es ist keine Schreiblehranstalt, von der man mit einem Bachelor in literarischem Schreiben abgeht. Es ist eine private Akademie, die Lehrgänge über acht Monate (vor Ort und online) anbietet und die 2005 von Gustav Ernst und Katrin Fleischanderl gegründet wurde.
Hah! Die Frau Fleischanderl. Da muss ich doch gleich wieder daran denken, wie sie beim Klagenfurter Wettlesen 2010 ihre „bundesdeutschen Kollegen“ belehrte, diese hätten „wenig Verständnis und wenig Gespür für österreichische Tonfälle. Entweder man versteht sie überhaupt nicht oder man lässt sich blenden.“
Konsequent zuende gedacht, hätte aus dieser Lehre folgen müssen, dass entweder bundesdeutschen JurorInnen oder österreichische AutorInnen fortan nicht mehr beim Bachmannpreis-Wettbewerb mitwirken. Dem ist aber nicht so. Indes wirkt fortan eine österreichische Jurorin nicht mehr mit: Frau Fleischanderl. Ob nun die „bundesdeutschen Kollegen“ imstande sind, österreichische Tonfälle zu verstehen, ist nicht endgültig geklärt. Wir wollen aber mal das Beste hoffen.
Natürlich auch im Sinne der österreichischen Autorin Feimer. Sie wurde übrigens von der Schweizerin Corina Caduff eingeladen, die in diesem Jahr zum erstenmal mitwirkt.
Simon Froehling sieht man im Porträt zuerst und zumeist dort, wo ein Autor nun mal zu sein hat: in der Schreibstube. Ein karg eingerichtetes Arbeitszimmer mit wehender Gardine, ein schwarzer Schreibtisch, auf dem Geldmünzen und Zigaretten liegen, eine leere Tasse und Wasserflaschen stehen und an dem der Autor sitzt und in das erwartbar obstaffine Notebook tippt. Nicht erwartbar ist das vergleichsweise unspektakuläre Konzept des Videoporträts: keine Flummis, keine schnellen Schnitte, keine Film-noir-Atmosphäre oder dergleichen. Von einem erfahrenen Theaterautor hätte ich eher etwas Ungewöhnliches erwartet. Aber vielleicht ist gerade das das Konzept: Nicht etwas erwartungsgemäß Ungwöhnliches zu präsentieren, sondern einen ruhigen und offenen Einblick in das Leben von Herrn Froehling zu geben.
Zu diesem Leben gehört ein enger Kontakt zu der Schriftstellerkollegin Ruth Schweikert, mit der Herr Froehling sich im Film die ganze Zeit per E-Mail austauscht. (Sollten hier etwa die echten E-Mail-Adressen verraten worden sein? Ich probiere das jetzt mal nicht aus.) In dieser voice-over präsentierten Korrespondenz geht es nicht nur um die Arbeit am Text, Hörspielsitzungen, Theaterproben und Leseproben, sondern auch um die im doppelten Sinn des Wortes aufregende Beziehung Froehlings zu seinem Lebensmenschen (?). Des weiteren sehen wir Herrn Froehling segeln, Fahrrad fahren, Tischtennis spielen und mit Freunden auf einer Dachterrasse sitzen. Auf jeden Fall wissen wir nun mehr über den Kandidaten, als wenn man ihn gefilmt hätte, wie er in eine schwarze Stube geht, das leuchtende Display seines Mobiltelefons ausschaltet und in wummernde Techno-Musik eintaucht, während uns ratlosen Klagenfurt-Begeisterten nach dreiminütigem Starren auf das reine Schwarz Sehstörungen und vom lauten Wumm-Wumm die Ohren abzufallen drohen.
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