5. März 2012
Offen gestanden, fällt es mir schwer, die aktuellen Meldungen, Forderungen, Empörungen und Meinungen, die sich am Wochenanfang allein im Internet vor mir auftürmen, wahrzunehmen, geschweige denn auszuwerten. Die Politiker treten, pragmatisch, wie Politiker zu sein haben, mit ganz unterschiedlichen Ehrensold-Lösungsmodellen hervor. Es kommt also etwas Konstruktives in die Debatte als immer nur Wut, Häme, Missgunst und Niedertracht.
Es wird erwogen, das Ruhestandsgehalt für Bundespräsidenten eventuell erst ab dem 65. Lebensjahr, eventuell aber auch erst ab dem 67. Lebensjahr voll auszubezahlen. Es wird erwogen, jemandem, der eventuell vor Eintritt ins gesetzliche Rentenalter aus dem Amt scheidet, eventuell einen halben Ehrensold zu zahlen, und zwar so lange, bis er endlich altersgemäß eintritt. Es wird erwogen, dass dieser 50%-Ehrensold eventuell verrechnet werden müsse mit Einkünften aus einer während dieser Zeit eventuell ausgeübten Berufstätigkeit, und so weiter und so fort. Sinnvollerweise wird die Bildung einer Kommission, die eine Reform der Rahmenbedingungen für die Gewährung von Ruhestandsbezügen für ehemalige Bundespräsidenten erarbeiten soll, angeregt, in Betracht gezogen und vor allem natürlich erstmal reiflich überlegt.
Unter den Befürwortern, die, wie Andrea Nahles, Generalsekretärin der SPD, sagen, den Ehrensold soll er von mir aus bekommen, die ganze Auseinandersetzung darüber ist doch kleinlich, erscheinen mir zwei der besonderen Erwähnung wert:
Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle, sagt der Welt am Sonntag, Herrn Wulff stünde der Ehrensold selbst im Falle einer Verurteilung zu, oder ob man eine Debatte führen wolle, dass jeder straffällig gewordene Deutsche künftig keine Rente mehr erhalten solle. Herr Barthel, der hier, in guter moralphilosophischer Tradition auch mal über die Folgen des Handelns nachdenkt, erntet alsbald Widerspruch. Unter der Überschrift: Verlogener als bei der CDU geht es kaum noch, nennt ein Rubensrembrandt im Forum von finanzen.net diese Überlegung eine Nebelkerze, gar Verdummungspolitik auf niedrigem Niveau, und bringt Licht in die Sache: Der Ehrensold sei nicht mit einer Rente, sondern mit einer Beamtenpension vergleichbar. Und wenn sich ein Beamter strafbar gemacht habe, könne das durchaus zur Kürzung oder Streichung der Pension führen. Nachdem also die Nebelkerze ausgeblasen ist, hebt im forum eine große Diskussion über die Korruptheit und Gier der Politiker, christlichen Politiker, der Menschen, des Menschen, der SPD-Politiker, Juden, Christen, Muslime und Kommunisten an, eine Diskussion, in der ein Sektionschef 1 die Korruption als eine Krankheit entlarvt, die in den Herzen und Seelen der Menschen stecke, und nicht in den Glauben oder Ideologien!, eine Diskussion also, die, wenn Sektionschef 1 denn Recht hat, als Diskussion sofort beendet werden kann und stattdessen in die heilenden Hände eines guten Ontologen gelegt werden sollte, eine Diskussion, die ich an dieser Stelle jedoch einfach nur aus dem Grund abbrechen möchte, weil der zweite erwähnenswerte Ehrensold-Befürworter hier schon so lange auf seine Erwähnung warten musste.
Es ist der SPD-Vizeparteichef und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, der in der Rhein-Zeitung anmahnt, die Politik müsse aufpassen, dass sie durch die Art, wie sie derzeit über Wulff debattiert, nicht sich selbst pauschal unter Verdacht stelle und entwerte. Vermutlich hat Herr Wowereit die forum.finanzen.net-Diskussion verfolgt und sogleich erkannt, wie er den gordischen Knoten der Politiker-Schelte durchschlagen kann: Wo andere die Politiker sagen, sagt er einfach die Politik. Herr Wowereit sagt dem Interviewer von der Rhein-Zeitung jedoch noch mehr. Und das ist mindestens genauso interessant: Ex-Präsidenten dürften nicht in die Lage gebracht werden, sich einen Arbeitsplatz rein aus finanziellen Gründen suchen zu müssen. – Ich kann mir gut vorstellen, dass es im Happy-Party!-Berlin eine Menge Menschen gibt, die rein aus Spass und Dollerei Jobs suchen und machen, kenne aber zwischen Großburgwedel und Kleinhüttenbach auch eine ganze Menge Menschen, die das schöne Wort Arbeitsplatz noch mit Broterwerb, mitunter auch Erwerbstätigkeit übersetzen. Nein! Wir schauen nicht neidisch nach Berlin! Wir könne auch jönne! Meinen nur ein kleines bisschen: Was erlauben Wowi?!
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