Bachmannwettbewerb 2024 - Fotoschau

Viele Jahre habe ich zur Einstimmung auf den Bachmannwettbewerb, die Videoportraits der eingeladenen Autorinnen und Autoren besprochen. Mal hier auf der Seite, mal auf der Seite von literaturcafe.de. Die Portraitfotos der Teilnehmenden blieben unkommentiert. Das muss sich in diesem Jahr ändern.

"Sag einem Bäcker mit Innungswettbewerbsgewinnambition, er möge sich in einem Videoclip porträtieren: Was wird er uns zeigen? Den Bäcker vor der Knetmaschine, am Backofen, beim Teigausrollen, beim Befüllen der Brotkörbe. Für die Kandidatinnen und Kandidaten der TDDL scheint eine solch unverpackte Art der Selbstdarstellung schon seit einigen Jahren eher keine Opti­on mehr zu sein."

Was bei Durchsicht der TddL-Vorstellungsvideos von 2016 auffiel, gilt für den diesjährigen Jahrgang und seine Porträtfotos ebenso: Es wird vermieden, sich bei der Arbeit, etwa vor dem PC, Notizbuch, leeren Papier oder Lesungstischchen, zu zeigen bzw. abbilden zu lassen. Tätigkeiten werden nicht verrichtet, alles bewegungslos kein Griff an die Brille oder Zigarette, kein Strandgang, kein Kaffee- oder Weintrinken.

Alle sitzen oder stehen vor einer Wand, mit dem Rücken zur Wand, was gewiss nicht im redensartlichen Sinne bezogen auf die Wettbewerbstage vom 26.06-30.06.2024 gemeint sein dürfte, sondern vermutlich dem Standard der Porträtfotografie geschuldet ist. Die Hintergrundwände sind teilweise bebildert, beblättert, betonartig, beblumt, bewehrt und mehrfach blue, blue, blue. Hach.

Auch Lächeln scheint verpönt. Drei- bis viermal lässt sich die Anmutung eines Lächelns ausmachen. Ansonsten reicht die Bandbreite des Blicks von spöttisch, fragend, erstaunt bis hin zu: "Redest du mit mir? Du laberst mich an? Du laberst mich an? Kann das sein, dass du mich meinst? Wie, meine Texte gefallen dir nicht? Mit wem kannst du Arsch in diesem Ton reden?"

Die Porträts der männlichen Kandidaten erinnern vom Setting her an Verhörsituationen oder (coronabedingte) Videokonferenzen. Drei Kandidatinnen erwecken den Eindruck, als empfingen sie die Betrachterin auf einen Kaffee in ihren eigenen vier Wänden. Blumen und Bäume sind nur auf Kandidatinnenporträts zu sehen. Und ebenfalls eine Autorin präsentiert sich in klassischer Denkerpose: Kinn auf Handfläche mit nachdenklichem Blick auf die Betrachterin. Übrigens schauen dreizehn der insgesamt vierzehn Autoren und Autorinnen die Betrachterin direkt an, nur eine looks back - hoffentlich nicht "in anger". Nein, so sieht das nicht aus.

Alle sind in bequemer Alltagsgarderobe dargestellt, eine Autorin allerdings in partytauglicher goldfädendurchwirkter Bluse. Keine Message-T-Shirts, keine Verkleidung, keine Krachlederne à la Thomas Bernhard, keine Jelinek-Zöpfe, kein Messie-Interieur à la Mayröcker.

Die Porträtfotos als berufliche Visitenkarte sind nicht spontane Selfies, sondern sorgfältig inszenierte Arrangements, deren Auswahl über das Erscheinungsbild erfolgt, das die jeweilige Autorin, der jeweilige Autor von sich zeigen möchte. Sehen wir hier also Ebenbilder, die Auskunft geben, mit wem wir es zu tun haben, oder gehört es zu den Erscheinungsbildern, das wir in die Schranken gewiesen und zu Voyeuren spielerischer Selbstinszenierungsmaskerade werden?

Sagen Bilder mehr als Worte, mehr als ca. 2380 Worte (so viele braucht es für einen 20minütigen Lesevortrag? Ab kommenden Donnerstag bis Samstag wissen wir mehr!

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